Bau- und Kunstdenkmäler von Westfalen 1929: Unterschied zwischen den Versionen

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Das Kloster Marienborn war bei seiner Gründung auch von anderen benachbarten Adeligen mit reichem Besitze ausgestattet, so von Hermann Werenze, der den Zehnten des Oberhofes Deuten („<tt>curia Thutine</tt>“, später „<tt>curtis Duthene</tt>“) schenkte. 1280 war auch der Hof gleichen Namens („<tt>domus Duthene</tt>“), der nach einer Urkunde von 1259 zuvor dietrich von Wulfen gehörte und damals mit einer Rente zugusten der Kirche belastet wurde, in das Eigentum des Kloster übergegangen; im 15./16. Jahrhunderte war auf dem Hofe, der an den Reichshof Dorsten wachszinspflichtig war und auch Sickinghove genannt wurde, die Familie ten Forken, seit dem Ende des 17. Jahrhundertes die Familie Roß gesessen. Nähere Angaben bringen ein 1302 geschriebenes Güterverzeichnis und ein Lagerbuch von 1750/52. Als 1378 die Äbtissin eine neben dem Kommberge bei Bossendorf (Bosnippe) gelegene Kapelle mit zehntfreiem Gute ausstattete, überwies sie gleichzeitig Land aus dem Gute Dimke für eine Kapelle, die in der damals noch zum Kirchspiele Wulfen gehörenden Lembecker Bauernschaft Stroick (Strotwich) errichtet wurde. – Von der Kirche zu Wulfen sind später noch hinzuerworben 1400 von Dietrich von Hagenbeck Hof Specking (Speckenhove) in Deuten, 1419 von Johann von Hasselbecke genannt Reythorne das Gut Eselinchloe, der spätere Hof Grewer in Dimke, weiterhin 1540 der im „im koeler velde“ gelegene Hof Sengenhorst (jetzt Huxel), 1517 und 1576 Hof Vennhoff in Sölten (um 900 Sulithem), 1596 einer der beiden Höfe Kottendorf in Dimke, durch Tausch vom Hause Lembeck überwiesen, während der andere Hof Kottendorf der Kirche als ein zum Sattelhofe Rüschede (s. o. Altschermbeck) gehörendes Gewinngut übertragen war. Zum Werdenschen Oberhofe Rüschede gehörten auch die Bakeler Mark, die beiden Höfe Erwig in Deuten sowie das Schultengut Bockholt in Dimke; letzteres war gleich dem Schultengute Spechtel nach einer Urkunde von 1579 ein freies, eigenzubehöriges Gut des Hauses Lembeck, in gleicher Weise schon 1434 auch Hof Hemsing, ebenso Hof Tüshaus, beide in der Bauernschaft Sölten gelegen. Tüshaus hatte später vom Hause Lembeck auch die 1615 auf alten Fundamenten aufgebaute Walkmühle in Pacht, ebenso die seit 1734 bestehende Ölmühle; nach Fertigstellung der Straße Schermbeck–Wulfen übernahm der damalige Inhaber, der sich an der Straße das heutige Wohnhaus errichten ließ, auch die Posthalterei. Ablöse des Gutes erfolgte 1856, die Mühlen sind 1890 angekauft worden. – Der Freistuhl zu Deuten, der 1493 genannt wird, gehörte zur Freigrafschaft der Herren von Raesfeld (s.o. Erle), Gaugericht wurde später alljährlich (s. o. Lembeck) unter dem Vorsitze des Richters der Herrlichkeit in der Heide bei Tüshaus abgehalten.
 
Das Kloster Marienborn war bei seiner Gründung auch von anderen benachbarten Adeligen mit reichem Besitze ausgestattet, so von Hermann Werenze, der den Zehnten des Oberhofes Deuten („<tt>curia Thutine</tt>“, später „<tt>curtis Duthene</tt>“) schenkte. 1280 war auch der Hof gleichen Namens („<tt>domus Duthene</tt>“), der nach einer Urkunde von 1259 zuvor dietrich von Wulfen gehörte und damals mit einer Rente zugusten der Kirche belastet wurde, in das Eigentum des Kloster übergegangen; im 15./16. Jahrhunderte war auf dem Hofe, der an den Reichshof Dorsten wachszinspflichtig war und auch Sickinghove genannt wurde, die Familie ten Forken, seit dem Ende des 17. Jahrhundertes die Familie Roß gesessen. Nähere Angaben bringen ein 1302 geschriebenes Güterverzeichnis und ein Lagerbuch von 1750/52. Als 1378 die Äbtissin eine neben dem Kommberge bei Bossendorf (Bosnippe) gelegene Kapelle mit zehntfreiem Gute ausstattete, überwies sie gleichzeitig Land aus dem Gute Dimke für eine Kapelle, die in der damals noch zum Kirchspiele Wulfen gehörenden Lembecker Bauernschaft Stroick (Strotwich) errichtet wurde. – Von der Kirche zu Wulfen sind später noch hinzuerworben 1400 von Dietrich von Hagenbeck Hof Specking (Speckenhove) in Deuten, 1419 von Johann von Hasselbecke genannt Reythorne das Gut Eselinchloe, der spätere Hof Grewer in Dimke, weiterhin 1540 der im „im koeler velde“ gelegene Hof Sengenhorst (jetzt Huxel), 1517 und 1576 Hof Vennhoff in Sölten (um 900 Sulithem), 1596 einer der beiden Höfe Kottendorf in Dimke, durch Tausch vom Hause Lembeck überwiesen, während der andere Hof Kottendorf der Kirche als ein zum Sattelhofe Rüschede (s. o. Altschermbeck) gehörendes Gewinngut übertragen war. Zum Werdenschen Oberhofe Rüschede gehörten auch die Bakeler Mark, die beiden Höfe Erwig in Deuten sowie das Schultengut Bockholt in Dimke; letzteres war gleich dem Schultengute Spechtel nach einer Urkunde von 1579 ein freies, eigenzubehöriges Gut des Hauses Lembeck, in gleicher Weise schon 1434 auch Hof Hemsing, ebenso Hof Tüshaus, beide in der Bauernschaft Sölten gelegen. Tüshaus hatte später vom Hause Lembeck auch die 1615 auf alten Fundamenten aufgebaute Walkmühle in Pacht, ebenso die seit 1734 bestehende Ölmühle; nach Fertigstellung der Straße Schermbeck–Wulfen übernahm der damalige Inhaber, der sich an der Straße das heutige Wohnhaus errichten ließ, auch die Posthalterei. Ablöse des Gutes erfolgte 1856, die Mühlen sind 1890 angekauft worden. – Der Freistuhl zu Deuten, der 1493 genannt wird, gehörte zur Freigrafschaft der Herren von Raesfeld (s.o. Erle), Gaugericht wurde später alljährlich (s. o. Lembeck) unter dem Vorsitze des Richters der Herrlichkeit in der Heide bei Tüshaus abgehalten.
  
Die beiden ersten Pfarrer, deren Namen uns überliefert sind, sind „<tt>Theodericus sacerdos plebanus in Wulfhem</tt>“, der 1329 dem Spitale zum Heiligen Geiste in Coesfeld eine Rente schenkte, und und <!-- sic, doppeltes und ist eine Hochzeit (Satzfehler) im Original --> der schon erwähnte Johann von Wulfhem, der 1399 „prester, rechte kercher tho Wulfhem“ genannt wird. Urkunden von 1513 und 1533 berichten über einen Altar „der hilgen moder sunte Annen in de kerche to Wulphem“. Als zur Zeit Bernhards von Westerholt auf dem Hause Lembeck (s.o.), das ihm 1554 sein Vater hinterlassen hatte, die Lehre Kalvins zur Herrschaft kam, wurde die Pfarre reformierten Predigern übertragen. Als solche treten auf Theodor Smythals, über den die Visitationsakten von 1572 berichten, und 1586 der aus Ramsdorf gebürtige Rudolf Köster, zuvor Kaplan an St. Ludgeri in Münster, den man wegen seiner Hinneigung zur neuen Lehre von dort vertrieben hatte,; im Synodalberichte von 1592 heißt es freilich über Wulfen „<tt>omnia fere salva</tt>“, doch scheint auch Konrad Cunnemann, der 1621 als Pfarrer von Osterwick abgesetzt war und dann bis 1649 das Pfarramt bekleidet hat, von protestantischer Gesinnung zgewesen zu sein, ebenso Johannes Rensing aus Dorsten, der 1662 nach Schermbeck ging und sich dort verheiratete. Die Neubelebung des religiösen Lebens in der Gemeinde ist das Werk des Pfarrers Woldering (1672–1720) gewesen. – Von einer Schule in Wulfen ist zuerst 1678 die Rede; damals überwies Burchard von Westerholt für die Küstereien zu Wulfen und Lembeck eine Jahrrente von je 25 Taler, damit von den Inhabern für dieses Gehalt und das von den Kindern zu zahlende Schulgeld Unterricht erteilt und die liebe Jugend zu einem christlichen Leben angeleitet werde. Weitere Schulstellen wurden 1879, 1906, 1913 und 1920 errichtet, während die Bauernschaft Sölten-Deuten schon seit 1854 eine selbständige Schulgemeinde bildet. Die 1920 in der Nähe der Schule zu Deuten errichtete Kapelle, in der jeden Sonntag von einem Franziskanerpater aus Dorsten Gottesdienst abgehalten wird, hat zuvor als Barackenkirche im Gefangenenlager zu Dülmen gedient.
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Die beiden ersten Pfarrer, deren Namen uns überliefert sind, sind „<tt>Theodericus sacerdos plebanus in Wulfhem</tt>“, der 1329 dem Spitale zum Heiligen Geiste in Coesfeld eine Rente schenkte, und und <!-- sic, doppeltes "und" ist eine Hochzeit (Satzfehler) im Original --> der schon erwähnte Johann von Wulfhem, der 1399 „prester, rechte kercher tho Wulfhem“ genannt wird. Urkunden von 1513 und 1533 berichten über einen Altar „der hilgen moder sunte Annen in de kerche to Wulphem“. Als zur Zeit Bernhards von Westerholt auf dem Hause Lembeck (s.o.), das ihm 1554 sein Vater hinterlassen hatte, die Lehre Kalvins zur Herrschaft kam, wurde die Pfarre reformierten Predigern übertragen. Als solche treten auf Theodor Smythals, über den die Visitationsakten von 1572 berichten, und 1586 der aus Ramsdorf gebürtige Rudolf Köster, zuvor Kaplan an St. Ludgeri in Münster, den man wegen seiner Hinneigung zur neuen Lehre von dort vertrieben hatte,; im Synodalberichte von 1592 heißt es freilich über Wulfen „<tt>omnia fere salva</tt>“, doch scheint auch Konrad Cunnemann, der 1621 als Pfarrer von Osterwick abgesetzt war und dann bis 1649 das Pfarramt bekleidet hat, von protestantischer Gesinnung zgewesen zu sein, ebenso Johannes Rensing aus Dorsten, der 1662 nach Schermbeck ging und sich dort verheiratete. Die Neubelebung des religiösen Lebens in der Gemeinde ist das Werk des Pfarrers Woldering (1672–1720) gewesen. – Von einer Schule in Wulfen ist zuerst 1678 die Rede; damals überwies Burchard von Westerholt für die Küstereien zu Wulfen und Lembeck eine Jahrrente von je 25 Taler, damit von den Inhabern für dieses Gehalt und das von den Kindern zu zahlende Schulgeld Unterricht erteilt und die liebe Jugend zu einem christlichen Leben angeleitet werde. Weitere Schulstellen wurden 1879, 1906, 1913 und 1920 errichtet, während die Bauernschaft Sölten-Deuten schon seit 1854 eine selbständige Schulgemeinde bildet. Die 1920 in der Nähe der Schule zu Deuten errichtete Kapelle, in der jeden Sonntag von einem Franziskanerpater aus Dorsten Gottesdienst abgehalten wird, hat zuvor als Barackenkirche im Gefangenenlager zu Dülmen gedient.
  
Die Kirche zu Wulfen, deren mittlere Abteilung wohl den ursprünglichen Bau darstellte, war nach Osten mit einer Apsis, nach Westen mit einer Giebelfront versehen, so daß sie eine ähnliche Form hatte wie die alten Kapellen zu Lenkerbeck und Bossendorf. Später ist sie nach Westen verlängert und hat einen Turm erhalten; es geschah das vielleicht um 1419, wo von Johann von der Hasselbecke (s. o.) den Kirchenmeistern zum Zwecke der „tymerynghe der kespelkerken“ der Hof Grewer verkauft wurde. Das Chor wurde 1744/45 angebaut, zugleich auch vor der Eingangstür eine Vorhalle und an der Südseite eine Sakristei errichtet; damals sind auch die zuvor gotischen Fenster abgerundet. 1755 ist der Stapel des Kirchturmes um 15 Fuß erhöht und seine Spitze mit einem neuen barocken Helme versehen. Da die Gurtbogen des Gewölbes Risse zeigten, musste 1822/23 das Schiff der Kirche bis auf das Chor niedergelegt werden; der Neubau erhielt eine um 16 Fuß größere Breite und wurde mit einer flachen Decke versehen. Der Turm, der am 30. August 1853 zugleich mit zwölf benachbarten Häusern ausgebrannt war, ist völlig niedergelegt und 1855/58 neu aufgemauert worden, indem er unter entsprechender Verlängerung der Kirche um 12 Fuß vorgeschoben wurde. Um die Inneneinrichtung hat sich besonders Pfarrer Verspohl (1864–1895) verdient gemacht, zu dessen Zeit 1873 neue Altäre beschafft und 1877 die Chorfenster wieder mit spitzen Bogen versehen wurden; aus der alten Kirche sind nur zwei Statuen aus Holz sowie der zur Hälfte in die Wand des neuen Turmes eingebebaute romanische Taufstein erhalten. Als 1892 die Kirche ausgemalt wurde, hat man eine Holzdecke eingebaut. Bei dem Brande des Turmes waren auch die drei vorhandenen Glocken, 1526, 1564 und 1766 gegossen, eingeschmolzen; von den drei neuen Glocken, die 1856 beschafft wurden, ist eine 1917 in den Krieg gezogen.
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Die [[St.-Matthäus-Kirche|Kirche zu Wulfen]], deren mittlere Abteilung wohl den ursprünglichen Bau darstellte, war nach Osten mit einer Apsis, nach Westen mit einer Giebelfront versehen, so daß sie eine ähnliche Form hatte wie die alten Kapellen zu Lenkerbeck und Bossendorf. Später ist sie nach Westen verlängert und hat einen Turm erhalten; es geschah das vielleicht um 1419, wo von Johann von der Hasselbecke (s. o.) den Kirchenmeistern zum Zwecke der „tymerynghe der kespelkerken“ der Hof Grewer verkauft wurde. Das Chor wurde 1744/45 angebaut, zugleich auch vor der Eingangstür eine Vorhalle und an der Südseite eine Sakristei errichtet; damals sind auch die zuvor gotischen Fenster abgerundet. 1755 ist der Stapel des Kirchturmes um 15 Fuß erhöht und seine Spitze mit einem neuen barocken Helme versehen. Da die Gurtbogen des Gewölbes Risse zeigten, musste 1822/23 das Schiff der Kirche bis auf das Chor niedergelegt werden; der Neubau erhielt eine um 16 Fuß größere Breite und wurde mit einer flachen Decke versehen. Der Turm, der am 30. August 1853 zugleich mit zwölf benachbarten Häusern ausgebrannt war, ist völlig niedergelegt und 1855/58 neu aufgemauert worden, indem er unter entsprechender Verlängerung der Kirche um 12 Fuß vorgeschoben wurde. Um die Inneneinrichtung hat sich besonders Pfarrer Verspohl (1864–1895) verdient gemacht, zu dessen Zeit 1873 neue Altäre beschafft und 1877 die Chorfenster wieder mit spitzen Bogen versehen wurden; aus der alten Kirche sind nur zwei Statuen aus Holz sowie der zur Hälfte in die Wand des neuen Turmes eingebebaute romanische Taufstein erhalten. Als 1892 die Kirche ausgemalt wurde, hat man eine Holzdecke eingebaut. Bei dem Brande des Turmes waren auch die drei vorhandenen Glocken, 1526, 1564 und 1766 gegossen, eingeschmolzen; von den drei neuen Glocken, die 1856 beschafft wurden, ist eine 1917 in den Krieg gezogen.
  
 
Eine Urkunde des Pfarrarchives von 1587 berichtet von einer Rente, die aus den Kirchengütern Sengenhorst und Vennhoff der herrschenden Kriegsnot wegen verkauft war, und in einer Urkunde von 1649 ist die Rede von einer Schuld, die von der Gemeinde wegen einer ihr auferlegten hessischen Kriegskontribution hatte übernommen werden müssen; es heißt dort, die Einwohner hätten dadurch die bittere Militärexektution abgewehrt und seien mit den Ihrigen beim Leben und Brot verblieben, während sie sonst schon vorlängst hätten entweichen, Häuser und Höfe und alles daran geben müssen. Von den Eingesessenen der Bauernschaft Deuten wurde zur Abdämpfung der seit der hessischen Kriegszeit auf ihnen lastenden Schuld 1674 der Kirche der ihnen gehörende Markenkotten Schroer verkauft. Schwere Bedrängnisse brachte der Gemeinde auch der Siebenjährige Krieg, besonders im Jahre 1758, wo vom 10. bis 28. September Kapitän Scheither mit seinen Truppen hier lagerte; es befand sich damals in Wulfen ein Magazin, an das von den umliegenden Kirchspielen Fourage und Lebensmittel geliefert werden mußten. Nach der Völerschlacht  bei Leipzig ist die an Wulfen vorbeiführende Napoleon-Straße (s. o.) zunächst bis zum 7. November von französischen und dann bis zur Räumung der Festung Wesel am 10. Mai 1814 in stetem Wechsel von preußischen und russischen Abteilungen stark benutzt worden, aber auch in der Zeit der Ruhrbesetzung ist der Bezirk des Amtes Wulfe nicht verschont geblieben; zur Sicherung des Bahnhofes Hervest-Dorsten haben belische Truppen von 18. Februar 1923 ab Teile der Gemeinden Hervest und Holsterhausen bis zum 10. Dezember 1924 besetzt gehalten.
 
Eine Urkunde des Pfarrarchives von 1587 berichtet von einer Rente, die aus den Kirchengütern Sengenhorst und Vennhoff der herrschenden Kriegsnot wegen verkauft war, und in einer Urkunde von 1649 ist die Rede von einer Schuld, die von der Gemeinde wegen einer ihr auferlegten hessischen Kriegskontribution hatte übernommen werden müssen; es heißt dort, die Einwohner hätten dadurch die bittere Militärexektution abgewehrt und seien mit den Ihrigen beim Leben und Brot verblieben, während sie sonst schon vorlängst hätten entweichen, Häuser und Höfe und alles daran geben müssen. Von den Eingesessenen der Bauernschaft Deuten wurde zur Abdämpfung der seit der hessischen Kriegszeit auf ihnen lastenden Schuld 1674 der Kirche der ihnen gehörende Markenkotten Schroer verkauft. Schwere Bedrängnisse brachte der Gemeinde auch der Siebenjährige Krieg, besonders im Jahre 1758, wo vom 10. bis 28. September Kapitän Scheither mit seinen Truppen hier lagerte; es befand sich damals in Wulfen ein Magazin, an das von den umliegenden Kirchspielen Fourage und Lebensmittel geliefert werden mußten. Nach der Völerschlacht  bei Leipzig ist die an Wulfen vorbeiführende Napoleon-Straße (s. o.) zunächst bis zum 7. November von französischen und dann bis zur Räumung der Festung Wesel am 10. Mai 1814 in stetem Wechsel von preußischen und russischen Abteilungen stark benutzt worden, aber auch in der Zeit der Ruhrbesetzung ist der Bezirk des Amtes Wulfe nicht verschont geblieben; zur Sicherung des Bahnhofes Hervest-Dorsten haben belische Truppen von 18. Februar 1923 ab Teile der Gemeinden Hervest und Holsterhausen bis zum 10. Dezember 1924 besetzt gehalten.
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In der Gemeinde, die noch heute ganz landwirtschaftlich eingestellt ist, herrscht Sandboden vor, doch finden sich auch sumpfige Bruchwiesen mit Torfgründen. Ausgedehnte Heideflächen sind mit Kiefern aufgeforstet, besonders im westlichen Teile der Gemeinde, doch ist auch die Birke stark vertreten. Das Deutener Moor, das in seinem nördlichen Teile Flachmoor, hingegen im Süden teils Erlenbruch und teils Hochmoor ist umfaßt heute noch 40 Morgen, während es früher einen bedeutend größeren Umfang hatte. 1909 und 1910 sind ausgedehnte Waldbestände durch Feuersbrunst vernichtet worden. Die Marken der Gemeinde, die 1826 bis 1834 aufgeteilt wurden, begünstigten die Schafzucht, was zur Wandmacherei Anlaß gab, zumal als dann in steigendem Maße auch Flachs angebaut wurde. 1569 wurden dem Wollenweberamte in Wulfen vom Schloßherrn zu Lembeck die Rechte einer Gilde bewilligt, die nach der Notzeit des Dreißigjährigen Krieges 1654 neu bestätigt wurden. Die Wulfener Laken waren weiterhin geschätzt, und auch nach Aufhebung der Zünfte zu Beginn des 19. Jahrhunderts hat sich die Hausweberei in Wulfen wie in der ganzen Herrlichkeit noch jahrzehntelang erhalten; 1839 befanden sich hier noch 157 Webstühle in Betrieb. Damals (1839) wurde in Wulfen der alte St.-Johannes-Markt wieder ins Leben gerufen. Die Einwohnerzahl hat 1818 nur 894 und auch 1890 nur 1062 betragen; sie war 1910 auf 1415 und 1926 auf 2006 angewachsen, da viele Einwohner auf der nahen Zeche in Hervest-Dorsten Beschäftigung finden.
 
In der Gemeinde, die noch heute ganz landwirtschaftlich eingestellt ist, herrscht Sandboden vor, doch finden sich auch sumpfige Bruchwiesen mit Torfgründen. Ausgedehnte Heideflächen sind mit Kiefern aufgeforstet, besonders im westlichen Teile der Gemeinde, doch ist auch die Birke stark vertreten. Das Deutener Moor, das in seinem nördlichen Teile Flachmoor, hingegen im Süden teils Erlenbruch und teils Hochmoor ist umfaßt heute noch 40 Morgen, während es früher einen bedeutend größeren Umfang hatte. 1909 und 1910 sind ausgedehnte Waldbestände durch Feuersbrunst vernichtet worden. Die Marken der Gemeinde, die 1826 bis 1834 aufgeteilt wurden, begünstigten die Schafzucht, was zur Wandmacherei Anlaß gab, zumal als dann in steigendem Maße auch Flachs angebaut wurde. 1569 wurden dem Wollenweberamte in Wulfen vom Schloßherrn zu Lembeck die Rechte einer Gilde bewilligt, die nach der Notzeit des Dreißigjährigen Krieges 1654 neu bestätigt wurden. Die Wulfener Laken waren weiterhin geschätzt, und auch nach Aufhebung der Zünfte zu Beginn des 19. Jahrhunderts hat sich die Hausweberei in Wulfen wie in der ganzen Herrlichkeit noch jahrzehntelang erhalten; 1839 befanden sich hier noch 157 Webstühle in Betrieb. Damals (1839) wurde in Wulfen der alte St.-Johannes-Markt wieder ins Leben gerufen. Die Einwohnerzahl hat 1818 nur 894 und auch 1890 nur 1062 betragen; sie war 1910 auf 1415 und 1926 auf 2006 angewachsen, da viele Einwohner auf der nahen Zeche in Hervest-Dorsten Beschäftigung finden.
  
==[Beschreibung der Fotos]==
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<big>'''Pfarrkirche,'''</big> katholisch, dem heiligen Evangelisten Matthäus geweiht.
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[[Bild:St-Matthaeus-Kirche Taufstein.jpg|thumb|250px|center|<small>Aufnahme von 1926</small><br />Taufstein in der Kirche zu Wulfen.]]
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<big>'''[[St.-Matthäus-Kirche|Pfarrkirche]],'''</big> katholisch, dem heiligen Evangelisten Matthäus geweiht.
  
 
Einschiffige Anlage mit Westturm, Chor einjochig mit Fünfachtelschluß. Sakristei an der Südseite des Chores. Im Chor Kreuzgewölbe mit Rippen und Schlußringen, in Schiff und Turm flache Holzdecke.
 
Einschiffige Anlage mit Westturm, Chor einjochig mit Fünfachtelschluß. Sakristei an der Südseite des Chores. Im Chor Kreuzgewölbe mit Rippen und Schlußringen, in Schiff und Turm flache Holzdecke.
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[[Bild:St-Matthaeus-Kirche Grundriss.jpg|250px|center]]
  
 
Von der mittelalterlichen Kirche ist nichts mehr vorhanden. Der Chor der Kirche mit der anschließenden Sakristei an der Südseite wurden 1744/45 erbaut, vielleicht auf dem Grundriß der früheren mittelalterlichen Anlage. Die Fenster des Chores, damals rundbogig geschlossen, haben erst 1877 ihre gotische Form erhalten. Das jetzige Schiff wurde in den Jahren 1823/25 nach den Plänen des münsterischen Bauinspektors Teuto gebaut. Die Arbeit verrichteten wandernde Mauerleute aus Tirol unter Verwendung von Bruchsteinen aus der Hohen Mark. Im Jahre 1847 erfolgte die Vergrößerung der Sakristei. Nach einem Turmbrand im Jahre 1853 (der wahrscheinlich romanische Turm war 1775 um 15 Fuß erhöht und mit einer barocken Haube versehen worden) wurde das Schiff um 12 Fuß verlängert und daran anschließend der jetzt noch vorhandene Turm erbaut.
 
Von der mittelalterlichen Kirche ist nichts mehr vorhanden. Der Chor der Kirche mit der anschließenden Sakristei an der Südseite wurden 1744/45 erbaut, vielleicht auf dem Grundriß der früheren mittelalterlichen Anlage. Die Fenster des Chores, damals rundbogig geschlossen, haben erst 1877 ihre gotische Form erhalten. Das jetzige Schiff wurde in den Jahren 1823/25 nach den Plänen des münsterischen Bauinspektors Teuto gebaut. Die Arbeit verrichteten wandernde Mauerleute aus Tirol unter Verwendung von Bruchsteinen aus der Hohen Mark. Im Jahre 1847 erfolgte die Vergrößerung der Sakristei. Nach einem Turmbrand im Jahre 1853 (der wahrscheinlich romanische Turm war 1775 um 15 Fuß erhöht und mit einer barocken Haube versehen worden) wurde das Schiff um 12 Fuß verlängert und daran anschließend der jetzt noch vorhandene Turm erbaut.
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Die G&nbsp;l&nbsp;o&nbsp;c&nbsp;k&nbsp;e&nbsp;n stammen aus neuerer Zeit.
 
Die G&nbsp;l&nbsp;o&nbsp;c&nbsp;k&nbsp;e&nbsp;n stammen aus neuerer Zeit.
  
'''Windmühle''', ½ <tt>km</tt> östlich des Dorfes gelegen. Besitzer: Kondrink. Von der 1873 erbauten Mühle sind in neuerer Zeit die Flügel entfernt worden.
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'''[[Mühle Kondring|Windmühle]]''', ½ <tt>km</tt> östlich des Dorfes gelegen. Besitzer: Kondrink. Von der 1873 erbauten Mühle sind in neuerer Zeit die Flügel entfernt worden.
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Bild:St-Matthaeus-Kirche Pieta.jpg|Piet<tt>à</tt>.
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Bild:St-Matthaeus-Kirche Selbdritt.jpg|Selbdritt.
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Bild:St-Matthaeus-Kirche Chor.jpg|Chor der Kirche von der Nordostseite.
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Bild:Muehle Kondring.jpg|Windmühle östlich des Dorfes
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Aufnahmen von 1926
  
 
[Zum Artikel gehören Literaturangaben in 8 Fußnoten, die hier nicht wiedergegeben werden.]
 
[Zum Artikel gehören Literaturangaben in 8 Fußnoten, die hier nicht wiedergegeben werden.]

Version vom 21:38, 15. Aug 2009

Aus: J. Körner (Bearb.): Die Bau- und Kunstdenkmäler von Westfalen. Landkreis Recklinghausen und Stadtkreise Recklinghausen, Bottrop, Buer, Gladbeck und Osterfeld. Aschendorff, Münster 1929. S. 470-476

Wulfen

Dorf, 18 Kilometer nordwestlich von Recklinghausen.

Die Gemeinde Wulfen, die einen Flächeninhalt von 3395 Hektar hat, besteht aus dem Kirchdorfe mit den Nachbarschaften Lehmkuhl, Wauert und Köhl und den Bauerschaften Dimke mit Surick und Kippheide und Sölten-Deuten mit Brosthausen. Grenzgemeinden sind im Norden Lembeck, im Westen Altschermbeck, im Süden Holsterhausen und Hervest, nach Osten hin das zum Kreise Coesfeld gehörende Lippramsdorf. Die Hohe und die Bakeler Mark erstrecken sich bis in das Lembecker Gebiet hinein, die Emmelkämper Mark gehört größtenteils zur Gemeinde Altschermbeck. Die Straße Wesel–Münster, welche die Gemeinde von Westen nach Osten durchschneidet, ist Herbst 1811 auf Befehls Napoleons begonnen, aber damals nur bis Wulfen ausgebaut worden. Von dort sollte sie ursprünglich in nordöstlicher Richtung durch die Hohe Mark unmittelbar auf Dülmen verlaufen, wie auch das bis in die Gegend von Lavesum verlaufende Planum, das innerhalb der Wulfener Gemeindegrenze schon mit Packlage versehen war, noch heute als Napoleonsweg bezeichnet wird; erst später hat man sich für die Linie über Haltern nach Dülmen entschieden die 1835 fertiggestellt wurde. Zwei andere 1897 und 1915/16 ausgebaute Straßen führen von Wulfen aus zum Norden hin am Forsthause Natteforth vorbei zum Dorfe Lembeck und nach Süden hin zum Dorfe Hervest. Durch die Gemeinde fließt der von Reken kommende Mühlenbach an der zu Lembeck gehörenden Wienbecker Mühle vorbei zur Wienbecker Mühle; nachdem er sich in Holsterhausen mit dem Rhader Mühlenbache verbunden hat, führt er die Bezeichnung Hambach. Die von Dorsten nach Rheine verlaufende Eisenbahnlinie Oberhausen–Quakenbrück mit dem Bahnhofe Wulfen wurde 1879, die Linie Bismarck–Dorsten–Borken–Winterswyk, die 1908 im Wulfener Gebiete den Bahnhof Deuten erhielt, 1880 eröffnet.

Die Pfarre Wulfen, die den Evangelisten Matthäus zum Patrone hat und eine Filiale von Lembeck ist, hat schon im 13. Jahrhunderte bestanden, denn sie wird nicht nur in dem aus jener Zeit stammenden Register genannt, das die zur Hansegrafschaft der Stadt Borken gehörenden Kirchspiele aufzählt, sondern auch in einer Urkunde von 1280, in welcher der Hof Deuten als „in parochia Vulfhem“ gelegen bezeichnet wird. Als Stifter der Kirche gilt das Ministerialgeschlecht von Wulfhem, das den Hof gleichen Namens – wohl als bischöfliches Lehen – unterhatten und wahrscheinlich schon zu Ausgang des 11. Jahrhunderts im Besitze des bischöflichen Drostenamtes gewesen ist; seit 1173 begegnet uns in zahlreichen Urkunden „dapifer Albert von Wulfheim“, während diejenigen seiner Nachkommen, auf die sich das Drostenamt vererbte, sich nur nach diesem und später zusätzlich auch nach der ihnen übertragenen Burg Vischering bei Lüdinghausen genannt haben. Als Ritter wird 1258 Anselm von Wulfhem bezeichnet, und auch in einer Urkunde von 1275 treten neben „Albertus dapifer Monasteriensis ecclesie“ zwei Brüder auf, die als „Hermannus miles dictus de Vulfhem“ und „Thiderius famulus dictus de Vulfhem“ bezeichnet werden. Die Familie, die im Kirchspiele reich begütert war, hat sich besondere Verdienste um das Zisterzienserinnenkloster Marienborn erworben, das um 1230 in der angrenzenden Gemeinde Lippramsdorf („in marca Ramestorpe“) gegründet und 1243 unter Beibehaltung des früheren Namens nach Coesfeld verlegt worden ist; sie schenkte dem Kloster, dessen zweite wie vierte Äbtissin eine Elisabeth von Wulfhem gewesen ist, gleich bei der Gründung den Zehnten in der Wulfener Bauernschaft Dimke (Dincbenken) und hat ihm 1288 auch das Gut Bösing („bona Bosinc sita in parrochia Hervorste“) überwiesen. Noch zu Ausgang des 14. Jahrhunderts hatte die Familie reichen Besitz. Gerhard von Wulfhem verkaufte 1381 unter Zustimmung seines Bruders Johann, der in Urkunden von 1378 bis 1399 als Pfarrer von Wulfen auftritt, an Goswin von Lembeck den Zehnten von Emmelkamp und das in Deuten gelegene Gut Risthaus (Rysthusen), stiftete 1393 mit einer Rente von sechs Scheffeln Weizen aus dem Gute Middeling in Lembeck für seine Familie eine Memorie, verkaufte auch im gleichen Jahre der Kirche die Hofestätte von Hohenwulfen, auf der bis 1896 das Pfarrhaus gestanden hat, sein Bruder Johann 1399 die im Kirchspiele gelegene Hofestätte Uphues. Das Wappen der Familie zeigte einen rechtsgewendeten Wolfskopf. – In Wulfener Urkunden des 13. und 14. Jahrhundertes treten auch wiederholt Angehörige der Familie Brun (Brunen) auf; so wird zugleich mit seinem Bruder Bernhard 1230 bei der Gründung von Marienborn als Zeuge genannt Gerhard Brunen (Bruno), Besitzer des in Reken gelegenen Hofes Horne, 1331 bei einem Gütertausche zwischen dem Bischofe Ludwig und Wessel von Lembeck ebenfalls als Zeuge Otto Brun, der als Knappe („famulus“) bezeichnet wird. Vielleicht besteht Zusammenhang mit der Familie Brunn, die heute auf dem Gute Wienbeck angesessen ist und oft unter den Kirchenräten der Gemeinde vertreten war; 1746 begegnet uns Werner Brun als Bauernrichter im Dorfe.

Das Kloster Marienborn war bei seiner Gründung auch von anderen benachbarten Adeligen mit reichem Besitze ausgestattet, so von Hermann Werenze, der den Zehnten des Oberhofes Deuten („curia Thutine“, später „curtis Duthene“) schenkte. 1280 war auch der Hof gleichen Namens („domus Duthene“), der nach einer Urkunde von 1259 zuvor dietrich von Wulfen gehörte und damals mit einer Rente zugusten der Kirche belastet wurde, in das Eigentum des Kloster übergegangen; im 15./16. Jahrhunderte war auf dem Hofe, der an den Reichshof Dorsten wachszinspflichtig war und auch Sickinghove genannt wurde, die Familie ten Forken, seit dem Ende des 17. Jahrhundertes die Familie Roß gesessen. Nähere Angaben bringen ein 1302 geschriebenes Güterverzeichnis und ein Lagerbuch von 1750/52. Als 1378 die Äbtissin eine neben dem Kommberge bei Bossendorf (Bosnippe) gelegene Kapelle mit zehntfreiem Gute ausstattete, überwies sie gleichzeitig Land aus dem Gute Dimke für eine Kapelle, die in der damals noch zum Kirchspiele Wulfen gehörenden Lembecker Bauernschaft Stroick (Strotwich) errichtet wurde. – Von der Kirche zu Wulfen sind später noch hinzuerworben 1400 von Dietrich von Hagenbeck Hof Specking (Speckenhove) in Deuten, 1419 von Johann von Hasselbecke genannt Reythorne das Gut Eselinchloe, der spätere Hof Grewer in Dimke, weiterhin 1540 der im „im koeler velde“ gelegene Hof Sengenhorst (jetzt Huxel), 1517 und 1576 Hof Vennhoff in Sölten (um 900 Sulithem), 1596 einer der beiden Höfe Kottendorf in Dimke, durch Tausch vom Hause Lembeck überwiesen, während der andere Hof Kottendorf der Kirche als ein zum Sattelhofe Rüschede (s. o. Altschermbeck) gehörendes Gewinngut übertragen war. Zum Werdenschen Oberhofe Rüschede gehörten auch die Bakeler Mark, die beiden Höfe Erwig in Deuten sowie das Schultengut Bockholt in Dimke; letzteres war gleich dem Schultengute Spechtel nach einer Urkunde von 1579 ein freies, eigenzubehöriges Gut des Hauses Lembeck, in gleicher Weise schon 1434 auch Hof Hemsing, ebenso Hof Tüshaus, beide in der Bauernschaft Sölten gelegen. Tüshaus hatte später vom Hause Lembeck auch die 1615 auf alten Fundamenten aufgebaute Walkmühle in Pacht, ebenso die seit 1734 bestehende Ölmühle; nach Fertigstellung der Straße Schermbeck–Wulfen übernahm der damalige Inhaber, der sich an der Straße das heutige Wohnhaus errichten ließ, auch die Posthalterei. Ablöse des Gutes erfolgte 1856, die Mühlen sind 1890 angekauft worden. – Der Freistuhl zu Deuten, der 1493 genannt wird, gehörte zur Freigrafschaft der Herren von Raesfeld (s.o. Erle), Gaugericht wurde später alljährlich (s. o. Lembeck) unter dem Vorsitze des Richters der Herrlichkeit in der Heide bei Tüshaus abgehalten.

Die beiden ersten Pfarrer, deren Namen uns überliefert sind, sind „Theodericus sacerdos plebanus in Wulfhem“, der 1329 dem Spitale zum Heiligen Geiste in Coesfeld eine Rente schenkte, und und der schon erwähnte Johann von Wulfhem, der 1399 „prester, rechte kercher tho Wulfhem“ genannt wird. Urkunden von 1513 und 1533 berichten über einen Altar „der hilgen moder sunte Annen in de kerche to Wulphem“. Als zur Zeit Bernhards von Westerholt auf dem Hause Lembeck (s.o.), das ihm 1554 sein Vater hinterlassen hatte, die Lehre Kalvins zur Herrschaft kam, wurde die Pfarre reformierten Predigern übertragen. Als solche treten auf Theodor Smythals, über den die Visitationsakten von 1572 berichten, und 1586 der aus Ramsdorf gebürtige Rudolf Köster, zuvor Kaplan an St. Ludgeri in Münster, den man wegen seiner Hinneigung zur neuen Lehre von dort vertrieben hatte,; im Synodalberichte von 1592 heißt es freilich über Wulfen „omnia fere salva“, doch scheint auch Konrad Cunnemann, der 1621 als Pfarrer von Osterwick abgesetzt war und dann bis 1649 das Pfarramt bekleidet hat, von protestantischer Gesinnung zgewesen zu sein, ebenso Johannes Rensing aus Dorsten, der 1662 nach Schermbeck ging und sich dort verheiratete. Die Neubelebung des religiösen Lebens in der Gemeinde ist das Werk des Pfarrers Woldering (1672–1720) gewesen. – Von einer Schule in Wulfen ist zuerst 1678 die Rede; damals überwies Burchard von Westerholt für die Küstereien zu Wulfen und Lembeck eine Jahrrente von je 25 Taler, damit von den Inhabern für dieses Gehalt und das von den Kindern zu zahlende Schulgeld Unterricht erteilt und die liebe Jugend zu einem christlichen Leben angeleitet werde. Weitere Schulstellen wurden 1879, 1906, 1913 und 1920 errichtet, während die Bauernschaft Sölten-Deuten schon seit 1854 eine selbständige Schulgemeinde bildet. Die 1920 in der Nähe der Schule zu Deuten errichtete Kapelle, in der jeden Sonntag von einem Franziskanerpater aus Dorsten Gottesdienst abgehalten wird, hat zuvor als Barackenkirche im Gefangenenlager zu Dülmen gedient.

Die Kirche zu Wulfen, deren mittlere Abteilung wohl den ursprünglichen Bau darstellte, war nach Osten mit einer Apsis, nach Westen mit einer Giebelfront versehen, so daß sie eine ähnliche Form hatte wie die alten Kapellen zu Lenkerbeck und Bossendorf. Später ist sie nach Westen verlängert und hat einen Turm erhalten; es geschah das vielleicht um 1419, wo von Johann von der Hasselbecke (s. o.) den Kirchenmeistern zum Zwecke der „tymerynghe der kespelkerken“ der Hof Grewer verkauft wurde. Das Chor wurde 1744/45 angebaut, zugleich auch vor der Eingangstür eine Vorhalle und an der Südseite eine Sakristei errichtet; damals sind auch die zuvor gotischen Fenster abgerundet. 1755 ist der Stapel des Kirchturmes um 15 Fuß erhöht und seine Spitze mit einem neuen barocken Helme versehen. Da die Gurtbogen des Gewölbes Risse zeigten, musste 1822/23 das Schiff der Kirche bis auf das Chor niedergelegt werden; der Neubau erhielt eine um 16 Fuß größere Breite und wurde mit einer flachen Decke versehen. Der Turm, der am 30. August 1853 zugleich mit zwölf benachbarten Häusern ausgebrannt war, ist völlig niedergelegt und 1855/58 neu aufgemauert worden, indem er unter entsprechender Verlängerung der Kirche um 12 Fuß vorgeschoben wurde. Um die Inneneinrichtung hat sich besonders Pfarrer Verspohl (1864–1895) verdient gemacht, zu dessen Zeit 1873 neue Altäre beschafft und 1877 die Chorfenster wieder mit spitzen Bogen versehen wurden; aus der alten Kirche sind nur zwei Statuen aus Holz sowie der zur Hälfte in die Wand des neuen Turmes eingebebaute romanische Taufstein erhalten. Als 1892 die Kirche ausgemalt wurde, hat man eine Holzdecke eingebaut. Bei dem Brande des Turmes waren auch die drei vorhandenen Glocken, 1526, 1564 und 1766 gegossen, eingeschmolzen; von den drei neuen Glocken, die 1856 beschafft wurden, ist eine 1917 in den Krieg gezogen.

Eine Urkunde des Pfarrarchives von 1587 berichtet von einer Rente, die aus den Kirchengütern Sengenhorst und Vennhoff der herrschenden Kriegsnot wegen verkauft war, und in einer Urkunde von 1649 ist die Rede von einer Schuld, die von der Gemeinde wegen einer ihr auferlegten hessischen Kriegskontribution hatte übernommen werden müssen; es heißt dort, die Einwohner hätten dadurch die bittere Militärexektution abgewehrt und seien mit den Ihrigen beim Leben und Brot verblieben, während sie sonst schon vorlängst hätten entweichen, Häuser und Höfe und alles daran geben müssen. Von den Eingesessenen der Bauernschaft Deuten wurde zur Abdämpfung der seit der hessischen Kriegszeit auf ihnen lastenden Schuld 1674 der Kirche der ihnen gehörende Markenkotten Schroer verkauft. Schwere Bedrängnisse brachte der Gemeinde auch der Siebenjährige Krieg, besonders im Jahre 1758, wo vom 10. bis 28. September Kapitän Scheither mit seinen Truppen hier lagerte; es befand sich damals in Wulfen ein Magazin, an das von den umliegenden Kirchspielen Fourage und Lebensmittel geliefert werden mußten. Nach der Völerschlacht bei Leipzig ist die an Wulfen vorbeiführende Napoleon-Straße (s. o.) zunächst bis zum 7. November von französischen und dann bis zur Räumung der Festung Wesel am 10. Mai 1814 in stetem Wechsel von preußischen und russischen Abteilungen stark benutzt worden, aber auch in der Zeit der Ruhrbesetzung ist der Bezirk des Amtes Wulfe nicht verschont geblieben; zur Sicherung des Bahnhofes Hervest-Dorsten haben belische Truppen von 18. Februar 1923 ab Teile der Gemeinden Hervest und Holsterhausen bis zum 10. Dezember 1924 besetzt gehalten.

Nachdem 1803 das Fürstbistum Münster aufgelöst war, kam die Herrlichkeit Lembeck zunächst unter die Herrschaft der Fürsten von Salm, im Dezember 1810 an Frankreich. Sie bildete fortan die Mairie Lembeck, an deren Spitze der ehemalige Lembecker Richter Reischel trat, seit Mai 1812 die beiden Mairien Lembeck und Altschermbeck, die Ende 1813 nach dem Übergange an Preußen zu Bürgermeistereien und 1844 zu Ämtern wurden. Seit 1816 sind beide dem Kreise Recklinghausen zugeteilt, 1825 der gemeinsamen Verwaltung des Lembecker Bürgermeisters unterstellt; seit Oktober 1816 führte diese als Nachfolger Reischels der Gutsbesitzer Brunn, von 1837 bis 1875 dessen Sohn, beide auf dem Hause Wienbeck seßhaft, während dann der Amtssitz nach dem Dorfe verlegt worden ist.

In der Gemeinde, die noch heute ganz landwirtschaftlich eingestellt ist, herrscht Sandboden vor, doch finden sich auch sumpfige Bruchwiesen mit Torfgründen. Ausgedehnte Heideflächen sind mit Kiefern aufgeforstet, besonders im westlichen Teile der Gemeinde, doch ist auch die Birke stark vertreten. Das Deutener Moor, das in seinem nördlichen Teile Flachmoor, hingegen im Süden teils Erlenbruch und teils Hochmoor ist umfaßt heute noch 40 Morgen, während es früher einen bedeutend größeren Umfang hatte. 1909 und 1910 sind ausgedehnte Waldbestände durch Feuersbrunst vernichtet worden. Die Marken der Gemeinde, die 1826 bis 1834 aufgeteilt wurden, begünstigten die Schafzucht, was zur Wandmacherei Anlaß gab, zumal als dann in steigendem Maße auch Flachs angebaut wurde. 1569 wurden dem Wollenweberamte in Wulfen vom Schloßherrn zu Lembeck die Rechte einer Gilde bewilligt, die nach der Notzeit des Dreißigjährigen Krieges 1654 neu bestätigt wurden. Die Wulfener Laken waren weiterhin geschätzt, und auch nach Aufhebung der Zünfte zu Beginn des 19. Jahrhunderts hat sich die Hausweberei in Wulfen wie in der ganzen Herrlichkeit noch jahrzehntelang erhalten; 1839 befanden sich hier noch 157 Webstühle in Betrieb. Damals (1839) wurde in Wulfen der alte St.-Johannes-Markt wieder ins Leben gerufen. Die Einwohnerzahl hat 1818 nur 894 und auch 1890 nur 1062 betragen; sie war 1910 auf 1415 und 1926 auf 2006 angewachsen, da viele Einwohner auf der nahen Zeche in Hervest-Dorsten Beschäftigung finden.


Aufnahme von 1926
Taufstein in der Kirche zu Wulfen.


Pfarrkirche, katholisch, dem heiligen Evangelisten Matthäus geweiht.

Einschiffige Anlage mit Westturm, Chor einjochig mit Fünfachtelschluß. Sakristei an der Südseite des Chores. Im Chor Kreuzgewölbe mit Rippen und Schlußringen, in Schiff und Turm flache Holzdecke.

St-Matthaeus-Kirche Grundriss.jpg

Von der mittelalterlichen Kirche ist nichts mehr vorhanden. Der Chor der Kirche mit der anschließenden Sakristei an der Südseite wurden 1744/45 erbaut, vielleicht auf dem Grundriß der früheren mittelalterlichen Anlage. Die Fenster des Chores, damals rundbogig geschlossen, haben erst 1877 ihre gotische Form erhalten. Das jetzige Schiff wurde in den Jahren 1823/25 nach den Plänen des münsterischen Bauinspektors Teuto gebaut. Die Arbeit verrichteten wandernde Mauerleute aus Tirol unter Verwendung von Bruchsteinen aus der Hohen Mark. Im Jahre 1847 erfolgte die Vergrößerung der Sakristei. Nach einem Turmbrand im Jahre 1853 (der wahrscheinlich romanische Turm war 1775 um 15 Fuß erhöht und mit einer barocken Haube versehen worden) wurde das Schiff um 12 Fuß verlängert und daran anschließend der jetzt noch vorhandene Turm erbaut.

Taufstein (Abbildung S. 473), romanisch, 13. Jahrhundert, zylinderförmig, 1,0 m Durchmesser und 88 cm hoch; mit Palmetten- und Weinlaubfries, die mit Gesichtsmasken und Tierfratzen belebt sind.

Triumphkreuz, spätgotisch, 16. Jahrhundert, Korpus von Holz, etwa 1,50 m hoch; war zur Zeit für die Aufnahme nicht erreichbar.

Pietà (Abbildung S. 475), gotisch, um 1400, Eichenholz, 75 cm hoch. Über der vielleicht teilweise noch ursprünglichen Fassung ein moderner Anstrich.

Selbdritt (Abbildung S. 475), Eichenholz, 72 cm hoch, spätgotisch, Anfang 16. Jahrhundert. Die Hände der beiden Figuren sind erneuert und die dritte Figur, das Kind, ist verlorengegangen. Die Gruppe stammt vielleicht von dem Altar „der hilgen moder sunte Annen“, der 1513 und 1533 erwähnt wird (vgl. die Geschichte)

Die G l o c k e n stammen aus neuerer Zeit.

Windmühle, ½ km östlich des Dorfes gelegen. Besitzer: Kondrink. Von der 1873 erbauten Mühle sind in neuerer Zeit die Flügel entfernt worden.

Aufnahmen von 1926

[Zum Artikel gehören Literaturangaben in 8 Fußnoten, die hier nicht wiedergegeben werden.]

Quelle

Im Auftrage des Provinzialverbandes der Provinz Westfalen bearbeitet von Provinzialkonservator Johannes Körner mit geschichtlichen Einleitungen von Albert Weskamp, Dorsten: Die Bau- und Kunstdenkmäler von Westfalen. Landkreis Recklinghausen und Stadtkreise Recklinghausen, Bottrop, Buer, Gladbeck und Osterfeld. 1929 erschienen in Aschendorffsche Verlagsbuchhandlung, Münster in Westfalen. S. 470-476

Unveränderter Nachdruck 1995 erschienen in Hermann Hermes Verlag, Warburg. ISBN 3-922032-79-6, Stadtbibliothek Dorsten