Sagen und Erzählungen

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Der Ritter von Wolf (Eine Sage)

Lehrer Paul Lippik, Wulfen.

Vor langen, langen Jahren stand in Wulfen, auf der Stelle, die heute noch Burgwiese heißt, ein Schloss. Es gehörte dem Ritter von Wolf. Weit und breit war er gefürchtet wegen seines wilden stolzen Sinnes und seiner grausamen Taten. Als er auf einer wilden Hetzjagd seinen einzigen Sohn und Erben verlor, wurden seine Taten noch ärger. Seine edle Gemahlin starb aus Gram, und seine Tochter verließ heimlich das Schloss, nahm den Schleier, um im stillen Kloster für den Vater zu sühnen und zu büßen. Da wurden die Frevel des Ritters Wolf noch schlimmer und seine Grausamkeiten schrien zum Himmel. Da zog eines Tages ein schweres Unwetter über die Lippe herauf. Dunkel umwölbte sich der Himmel, der Donner grollte und schwefelgelbe Blitze zuckten durch die schwarzen Wolken. Die Leute saßen ängstlich in ihren Häusern und beim Schein der Gewitterkerzen baten sie Gott um Schonung. Ritter Wolf aber stand auf dem Söller seines Schlosses und sah voll Hohn und Spott in das Unwetter. Lachend sah er zum Himmel und sprach: „Du stolzer Herrgott, mögen deine Blitze noch so feurig zucken und deine Donner noch so laut grollen, ich fürchte dich nicht, ich lache deiner Allmacht." Sein Gesicht verzerrte sich zu teuflischer Wut und hassentstellt erhob er die Faust drohend zum Himmel: „Weil du mir meinen einzigen Sohn genommen hast, deshalb fluche ich dir." - Da, ein betäubender Donnerschlag, als ob die Erde zusammenkrache, ein Stürzen, Krachen und Schreien und von Blitzen umloht, versank das Schloss in die Tiefe. Weiter noch heulte der Sturm, dann war alles totenstill. Jahrhunderte sind darüber hingegangen. Von dem stolzen Schloss ist nichts mehr zu sehen. Nach Jahren, als man an der Stelle nachgrub, fand man einige Überreste von alten, mächtigen Grundmauern und ein halbverbranntes Bild, einen Wolfskopf mit weit aufgerissenem Rachen - es war das Wappenschild des Ritters von Wolf.

Quelle: „Dorsten – Kreis Recklinghausen“ Herausgeber: Stadt Dorsten, Schulverwaltungsamt, SPECTRA-Lehrmittel-Verlag GmbH, 1.Auflage 1992, S.37.



Der alte Grenzstein zwischen Wulfen und Lippramsdorf

Lehrer Paul Lippik, Wulfen.

Da, wo die letzten Ausläufer der Hohen Mark die Grenze zwischen Wulfen und Lippramdorf bilden, steht ein alter Grenzstein. Er ist nicht leicht zu finden. Durch Dickicht und Büsche führt der Weg. Einsam steht er da, ein Zeuge vergangener Zeiten. Tief ist er schon in den Waldboden eingesunken, lichtes Moos umkleidet ihn und Brombeeren haben ihre Ranken um ihn geschlungen. Entfernt man das Mooskleid etwas, so zeigt er eine rätselhafte Inschrift, und ein Riss, wie von einem furchtbaren Säbelhieb, wird sichtbar. Nicht immer soll der Stein dort gestanden haben; und blutiges Geschehen erzählt die sage seiner Herkunft. Es war in der „kaiserlosen schrecklichen Zeit“, als in unserem Vaterlande Gewalt vor recht ging und nur das Recht des Stärkeren galt, als auch die Dörfer Wulfen und Lippramsdorf in Fehde lagen. Der Streit ging um ein Waldstück, auf welches beide Gemeinden Anspruch erhoben; denn viel Hochwild stand darin, und die Jagd lohnte sich wohl. Diese Streitigkeiten, führten schließlich zu regelrechten Kampfhandlungen. Als die Lippramsdorfer wieder einmal in dem strittigen Walde jagten, da ertönte in Wulfen die Sturmglocke, und bewaffnet eilten Männer von Wulfen herbei, um ihr Recht zu verteidigen. Es gab einen heftigen Kampf, aber den starken Fäusten der Wulfener Bauern konnten die Lippramsdorfer nicht standhalten und ergriffen darum die Flucht. Ihre Hoffnung war, das jenseitige Lippeufer zu erreichen. Die Sieger aber verfolgten sie, und dann den Ufern der Lippe kam es noch einmal zu einem Handgemenge. Dabei erschlug der Anführer der Wulfener einen Mann der Lippramsdorfer. Voll Freude und Stolz über den errungenen Sieg kehrten die Wulfener heim, und noch lange erzählte man sich beim Herdfeuer von dem siegreichen Kampfe. Als die Lippramsdorfer nun einsahen, dass sie aus eigener Kraft mit dem Wulfenern nicht fertig werden konnten, führten sie Klage beim damaligen Landesfürsten, dem Bischof von Münster. Dieser meinte, dass die Wulfener eine schlimme und verabscheuungswürdige Tat begangen hätten, da sie einen hilflosen Feind erschlagen hätten, und dafür müssten sie Sühne leisten. Die Gemeinde Wulfen musste den Lippramsdorfern soviel in purem Silber zahlen, als das Gewicht des Erschlagenen betrug. Außerdem durften die Lippramsdorfer ihre Grenze soweit vorlegen, als ihr stärkster Mann jenen Stein, der noch den Säbelhieb zeigte, auf welchen der Lippramsdorfer Mann erschlagen worden war, auf Wulfen zutragen konnte. Wulfen konnte jedoch die Silbermenge nicht aufbringen, und da erbot sich der Herr vom Schlosse Lembeck an ihrer Stelle zu zahlen. Dafür musste aber die Gemeinde ihm die Gemeindewiesen, die zwischen dem Dorf und der Wienbeck lagen, abtreten. So haben die Wulfener ihren Sieg teuer bezahlt, und es ist erklärlich, dass dadurch die nachbarlichen Beziehungen zwischen Lippramsdorf und Wulfen in der nachfolgenden Zeit nicht besser wurden. Auch heutigen Tags soll sich dieses noch dann und wann auswirken; ob allerdings daran noch der alte Grenzstein schuld ist, weiß die Sage nicht zu melden.



Die Wolfsgrube – Eine Geschichte aus Wulfens Vergangenheit

Von Lehrer Paul Lippik, Wulfen.

Der Name Wulfen und noch mehr die alte Schreibweise Wulfhem deutet darauf hin, dass in unserer Heimat einst die Wölfe sehr zahlreich vorkamen. Da von diesen Raubtieren nicht nur die Tiere, sondern auch die Menschen ständig bedroht waren, so suchten die Bewohner sie auf alle möglichen Arten unschädlich zu machen. Da Flinten und Büchsen damals seltener waren als heute, fing man die Wölfe in Wolfsgruben. Es waren tiefe Löcher, in die man ein Wolfseisen legte und dann mit Ästen und Zweigen unkenntlich zudeckte. Als Köder wurde ein Schaf oder ein anderes Tier benutzt. Wollte nun der Wolf das Locktier rauben, so stürzte er in die Grube und fing sich im Eisen. Auf diese Weise hatte man schon viele dieser gefährlichen Tiere gefangen. Eine solche Grube hatte man auch auf dem Wege von Wulfen nach Lippramsdorf angelegt; denn diese Gegend machte ein besonders gefürchteter Wolf unsicher. Nun traf es sich, dass man in Wulfen eine Hochzeit feierte. Wie heute, so holte man sich auch damals einen Musikanten von Lippramsdorf. Unentwegt hatte der brave Lippramsdorfer zum Tanze aufgespielt, aber auch ebenso dem Essen und Trinken, dem letzteren ganz besonders zugesprochen. Lustig und guter Dinge, besonders wenn er an die Taler dachte, die er sich erspielt hatte, machte er sich in später Stunde auf den Heimweg. An alles dachte er, nur nicht an Wölfe und Wolfsgruben. Da wurde der Boden unter seinen Füßen plötzlich weich und lose, und ehe er sich recht besinnen konnte, lag er in der Wolfsgrube. Aber Glück hatte er doch noch dabei, dass er neben dem Fangeisen in der Grube landete. Da lag er nun wie einst Daniel in der Löwengrube; allein herauszukommen war unmöglich, und seine Hilferufe blieben um diese Zeit ungehört. So musste er schon die Stunden bis zum Morgen in der Grube zubringen. Die Sache wäre ja nicht so schlimm gewesen, wenn es nun nicht gerade auch dem Wolf einfallen wäre, desselben Weges zu kommen. Eine solche Lockspeise war doch etwas zu Seltenes. Ein Sprung in die Grube, aber auch mitten in die Falle, ein Schnacken, der Räuber war gefangen, der Musikant aber gerettet. Ganz in die Ecke gedrückt, erwartete er den Morgen, und endlich kam Erlösung. Der Wolf ist gefangen, und halb Wulfen eilte zur Wolfsgrube. Wer aber beschreibt das Erstaunen, als die Leute neben dem gefangenen Raubtier den halbtoten Musikanten fanden. Für die ausgestandene Angst wurde er reichlich belohnt, denn man war froh, endlich den gefürchteten Räuber gefangen zu haben. Die Wolfsgrube wurde bald zugeschüttet, denn man wollte nicht Gefahr laufen, noch einmal einen Musikanten zu fangen. So können nun heute die Leute auch in später Stunde des Weges gehen, auch die Lippramdorfer Musikanten, sogar wenn sie von einer Hochzeit kommen; die Wolfsgrube ist ja zugeschüttet, und wäre sie noch offen, so wäre das auch nicht schlimm, wenn man hineinfiele – denn an die Wölfe erinnert nur noch der Name Wulfen.

Quellen

Zuerst im Heimatkalender wurden veröffentlicht:

  • Die Sage vom Priester Wulfhem / Bernhardine Herwers. 1927, S.32
  • Der alte Grenzstein zwischen Wulfen und Lippramsdorf : einer Sage nacherzählt / Paul Lippick. 1927, S.46f
  • Der versunkene Schatz : eine alte Sage / Paul Lippik. 1928, S.112
  • Der Ritter von Wolf : Eine Sage / Paul Lippik. 1929, S.103
  • Der Grenzstein [Sage] / Joseph Kellner. 1931, S.105
  • Der versunkene Schatz : eine alte Sage / Paul Lippik. 1928, S.112