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Requiem für die Barkenberger Mondlaterne / von T. Kipp

3.920 Bytes hinzugefügt, 17:32, 26. Mär 2007
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In einer meiner schönsten Kindheitserinnerungen trete ich hinaus auf den
Napoleonsweg. Es ist gegen 18 Uhr und es dämmert. Ich schaue nach rechts
und
links den Napoleonsweg hinauf. Genau in diesem Moment schalten sich die
Mondlaternen an. Hunderte von Laternen bilden eine Kette von leuchtenden
Monden, wie ein Laternenzug. Irgendwo hinter der zweiten Brücke
verschmelzen
die leuchtenden Kugeln zu einem feinen Strich. Ich habe seitdem keine
andere
Stadt besucht in der ein ähnliches Lampenmodell so flächendeckend
verbaut
wurde. Die kugelrunden Laternen werfen ein angenehmes und fahles Licht,
das
nicht wie bei Straßenbeleuchtungen üblich einen drückenden, schattigen
Lichtkegel nach unten wirft, sondern in alle Himmelsrichtungen
gleichmäßig
strahlt.

Eine ähnliche Außenbeleuchtung findet man sonst nur bei
Katastropheneinsätzen des THW und auf Filmsets in denen das Licht einer
klaren Vollmondnacht dargestellt werden soll. Man pumpt große Ballons
mit
Helium auf und schaltet im Balloninneren kräftige Strahler an. So möchte
man
die besonderen Eigenschaften des Mondlichts imitieren, die darin
bestehen,
dass es keine Schatten wirft. Eine ganze Stadt in schattenloses Licht
gehüllt, das war ein Teil der Magie des nächtlichen Barkenberg. Als wäre
das
Mondlicht in dieser Stadt einfach ein bisschen stärker. Meine Mutter
erzählte mir mal, sie sei eines nachts aufgewacht und habe aus dem
Fenster
geschaut und sich gefragt warum der Mond so besonders tief stehe und
erst
nach einigen Augenblicken sei ihr aufgefallen, dass es sich bei dem Mond
um
die Straßenlaterne vor unserer Wohnung handele. Das Barkenberger
Mondlicht.

Ein Schock also, als ich zu meinem Weihnachtsbesuch nach Barkenberg kam
und
feststellte, dass der Stadtteil dieser würdevollen Straßenbeleuchtung
beraubt wurde. Die Mondlaternen wurden, wahrscheinlich aus den üblichen
ökonomischen Gründen durch das wahrscheinlich preisgünstigste Modell
aus
Plastik ersetzt. Man hat den Mondlaternen kurzerhand den Mondkopf
abgeschnitten und einen neuen Standardkopf aufgeflanscht. Ich bin an
diesem
Tag völlig fassungslos durch Barkenberg gelaufen, von der Dimker Allee
bis
zur Hasenheide, vom Wiesenstück bis zum Gecksbach, überall hat man
angefangen die Mondlaternen abzumontieren. Dass man dabei das Gesicht
einer
ganzen Stadt verändert scheint vollkommen nebensächlich. Es rührt sich
kein
Protest, den meisten Menschen scheint es noch nicht einmal aufzufallen.
Es
ist eine dezente, aber entscheidende Veränderung.

Als Barkenberg in den
60
er Jahren geplant und gebaut wurde, geschah dies mit dem Anspruch und im
Geiste einer die gesamte Gesellschaft erfassenden Erneuerungsbewegung.
Die
erste Stadt ohne Schornsteine, da alle Häuser an das Fernwärme- und
Stromnetz angeschlossen waren, eine Stadt in der Autoverkehr und
Fußgänger
strickt voneinander getrennt sind, da alle Strassen untertunnelt oder
überbrückt sind. Teile dieses idealistischen Geistes haben sich in
vielen
liebevollen, gestalterischen Details bis heute erhalten und wirken fast
historisch, da sie so sehr dem Zeitgeist entgegenlaufen. Leider dauert
es
oft zu lange bis Kulturgut als solches erkannt und als schützenswert
erachtet wird, und viel Kultur wird vernichtet bis es zu einem
Denkmalschutz
kommen kann.

Man kann nur hoffen dass im weiteren "Umbau" der Neuen
Stadt
Wulfen (www.stadtumbau-barkenberg.de), einwenig mehr dem idealistischen
Geist Architekten entsprochen wird. Werden die Planer und Ausführer des
Umbaus weiterhin so respektlos mit dem architektonischen und
städtebaulichen
Erbe Barkenberg verfahren, wie sie es bei der Straßenbeleuchtung getan
haben, also weiterhin im Geiste einer blinden Ökonomisierung und
Rationalisierung verfahren, wird Barkenberg nach dem Umbau nicht mehr
als
ein weiterer gesichtsloser Vorort sein, wie er überall und in jeder
Stadt zu
finden ist.
[[Bild:Napoleonsweggrün.jpg]]Aufnahme 2006
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